Wissenswertes

Vorratsdatenspeicherung - nun also doch

In einem unserer letzten Artikel zur Vorratsdatenspeicherung (https://www.gefas-datenschutz.de/vorratsdatenspeicherung.html) sind wir ausführlich auf den Umfang der Vorratsdatenspeicherung sowie die damit verbundenen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen Bedeutungen eingegangen. Auch der Nutzen einer anlasslosen Speicherung von Verbindungsdaten wurde erörtert. Fazit war, dass die Vorratsdatenspeicherung kaum geeignet ist, die Sicherheit der Bürger in der Bundesrepublik signifikant zu erhöhen. Vielmehr werden die Persönlichkeitsrechte der Bürger massiv eingeschränkt. Genauso sahen es auch der europäische Gerichtshof sowie das Bundesverfassungsgericht, welche die vollständige Erfassung aller Verbindungsdaten als nicht vereinbar mit den Grundrechten erachteten. Selbst Kanzlerin Angela Merkel, eine Befürworterin der Vorratsdatenspeicherung, wollte vor einer Neuauflage der Thematik, die Entscheidung der EU-Kommission abwarten.

Jetzt wagt Deutschland überraschend nun doch den Alleingang. SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel hat Justizminister Heiko Maas Ende letzten Monats damit beauftragt neue Regeln und Grundsätze für die anlasslose Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürger festzulegen und ein entsprechendes Gesetz vorzubereiten. Nun hat Maas geliefert, und das obwohl er sich selbst als Gegner der Vorratsdatenspeicherung bezeichnet und diese mehrfach öffentlich ablehnte.

Für Heiko Maas, der erst vor anderthalb Jahren den Posten des Justizministers erhalten hatte, kam es leider nicht in Frage, seine Haltung auch gegenüber seinem Partei-Vorsitzenden zu wahren oder sogar dem Beispiel seiner Amtsvorgängerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu folgen. Die ehemalige Justizministerin hatte schon Mitte der 90er Jahre den „großen Lauschangriff“ abgelehnt und war sogar aus Gewissengründen von ihrem Amt zurückgetreten. Maas versuchte wenigstens aus Sicht der Grundrechte und des Datenschutzes einen Kompromiss einzugehen.

Die neue Vorratsdatenspeicherung sieht kürzere Speicherfristen sowie strengere Datenschutzrichtlinien vor. Was bleibt ist dennoch eine flächendeckende Sammlung und Überwachung von persönlichen und sensiblen Kommunikationsdaten und somit eine anlasslose Kontrolle aller Bürger in Deutschland. Wer wann mit wem über welchen Anschluss und mit welchem Gerät kommuniziert soll zehn Wochen gespeichert werden. Ebenso, wer mit welcher IP-Adresse wann ins Internet ging. Für mindestens vier Wochen soll außerdem gespeichert werden, wo sich der Anrufer befand, wenn er mobil kommuniziert hat. Nicht gespeichert werden sollen Daten, die bei der Kommunikation via E-Mail anfallen. Die wichtigste Kritik an der Vorratsdatenspeicherung bleibt aber auch beim Kompromiss bestehen: Im Gegensatz zum gesamten demokratischen Strafrecht kennt sie keine Unschuldigen mehr. Es werden ohne konkreten Anlass oder Verdacht die Daten von allen Bürgern gespeichert.

Besonders schade ist, dass der wichtigste Grund für die Vorratsdatenspeicherung nicht primär die Verbesserung der Sicherheit der Bundesbürger ist. Die vom Vizekanzler genannten Beispiele, wo eine Vorratsdatenspeicherung hätte helfen können (u.a. der Amoklauf von Anders Breivik in Norwegen; die NSU-Morde etc.), sind fern der Realität. Einzeltäter, wie im Fall Breiviks sind kaum aufzuhalten, und was helfen im Fall der NSU Verbindungsdaten, wenn man die falschen Täter jagt. Vielmehr geht es um rein politisches Kalkül.

Der SPD-Chef denkt strategisch: Er möchte das Thema Innere Sicherheit nicht allein dem großen Koalitionspartner überlassen und somit über die Vorratsdatenspeicherung eine Profilierung seiner Partei in der Innenpolitik vorantreiben. Durch die zumindest subjektiv wahrgenommene hohe Terrorgefahr versucht Gabriel die Befürworter einer flächendeckenden Überwachung von der Arbeit seiner Partei zu überzeugen. Außerdem sichert er sich für den Fall eines Anschlags in Deutschland ab. Der Vizekanzler will sich nicht vorwerfen lassen, nicht alles für die innere Sicherheit getan zu haben.